a) by Rei-chan
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Fujimaru stand pünktlich um elf Uhr vor Hayates Haus. Er konnte nicht umhin
zu grinsen, als er Hayates verblüfftes Gesicht sah. /Er hat mir wirklich
nicht geglaubt!/
Hayate trug wieder eine Jeans und ein T-Shirt. /Aber nicht dieselben Sachen
wie gestern!/ Beinahe hätte er laut gelacht und staunte über sich selbst,
daß er so heiter sein konnte, obwohl ihm der Gedanke an heute noch vor
wenigen Stunden die Kehle zugeschnürt hatte.
"Ohayou!" sagte er, als Hayate schließlich neben ihm stand. "SO früh ist es
nun auch nicht mehr!" erwiderte dieser ein wenig frech und lächelte
schüchtern. "Gehen wir...?" "Ähm...?"
"FUUUUUUUUJIIIIIIIMAAAAAARUUUUUUU!" Fujimaru zuckte zusammen und Hayate
bekam tellergroße Augen. "Wer ist das?" fragte er interessiert, als ein
kleines, dunkelhaariges Mädchen von etwa 5 Jahren auf die beiden zugehopst
kam. "Meine kleine Schwester Mina... meine Mutter hatte mich gebeten, sie in
den Kindergarten zu bringen... macht dir das was aus?" "Nein, ist okay...
dann gehen wir jetzt am Besten los!"
Mina klammerte sich grinsend an Hayates Bein. "Konnichiwa!" plärrte sie und
Fujimaru sah verwundert, daß sie Hayate ein wirklich fröhliches Lächeln
entlocken konnte. "Konnichiwa...!" entgegnete er und hob Mina dann hoch.
"Trägst du mich?" wollte Mina wissen und Hayate nickte. "Klaro, wieso
nicht?" "Toll!" Mina grinste über beide Ohren, ehe sie sich zu Fujimaru
umdrehte und ihm die Zunge rausstreckte. "Fujimaru trägt mich nie, ist ein
doofer großer Bruder!" Hayate lächelte, dann setzte er sich in Bewegung und
Fujimaru folgte ihm, nicht aber ohne Mina strafend anzusehen.
Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis sie am Kindergarten waren, wo Fujimaru
Mina absetzte und ihr nachsah, bis sie im Gebäude verschwand. Den ganzen Weg
hatten Fujimaru und er kein Wort miteinander gesprochen. Jetzt suchte
Fujimaru krampfhaft nach einem Gesprächsthema doch mehr als ein "Wohin
jetzt?" brachte er nicht über die Lippen. Hayate zuckte mit den Schultern.
"Sag mir, wohin... wollen wir in den Park gehen... oder magst du lieber ein
Eis essen? Wir können auch ins Kino gehen... es ist mir egal...!" "Der Park
klingt gut...!" "Okay...!"
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Der Park war wunderbar grün. Fujimaru sog tief den Duft der Blumen ein.
Hayate tat es ihm gleich.
Viele junge Pärchen hockten auf den Wiesen rings um sie herum, schmusten,
dösten oder unterhielten sich. Hunde bellten irgendwo in der Ferne, Vögel
zwitscherten über ihren Köpfen und wäre Fujimaru nicht so fürchterlich
angespannt gewesen, hätte er die Situation als romantisch empfinden können.
"Kommt Hitoshi nicht?" fragte Hayate und warf Fujimaru einen ausdruckslosen
Blick zu. /Wie kommt der denn darauf?/ "Nein... ich sagte doch, mit Hitoshi
hat das nichts zu tun... der kann sich allein entschuldigen kommen...!"
Fujimaru schluckte nervös. "Und du nimmst mich auch wirklich nicht auf den
Arm?" "Nein, wieso sollte ich?" Hayate lächelte traurig. "Ich möchte nur
verhindern, daß mir wieder weh getan wird... davon hatte ich genug in den
letzten Jahren... wenn du es also nicht ehrlich meinst, laß uns das Treffen
hier und jetzt beenden...!" Hayate blieb abrupt stehen und wartete. /Ich
hasse es... wie konnte ich mich nur dazu breitschlagen lassen?/ "Ich mein's
ernst...!" /Wow, ich kann ja richtig überzeugend klingen!/ Fujimaru
lächelte. "Ich meine es wirklich ernst." "Okay...!" Hayate lächelte. Dann
deutete er mit einem Kopfnicken auf eine leere Bank. "Setzen wir uns?"
Fujimaru nickte stumm. /Solange nicht auch noch ein Mistelzweig über uns
hängt und ich dich küssen muß!/ Innerlich zitterte er.
Sie schwiegen abermals eine Weile, während sie auf der Bank saßen und in den
Himmel starrten. Irgendwann räusperte Hayate sich. "Wo... wohnst du
eigentlich?" "Nicht weit entfernt von dir... zehn Minuten etwa...!" "In
den...?" Hayate schluckte das letzte Wort herunter. "... Armenvierteln, ja,
sag es ruhig!" Hayate errötete. "Ich wollte nicht unhöflich sein." "Warst du
nicht... es ist okay, ist doch nichts Schlimmes...!" "Hmm...!" Hayate wandte
sich wieder zu ihm. "Hast du noch mehr Geschwister...?" "Nein, nur Mina...
ich lebe nur mit ihr und meiner Mutter dort... " "Hast du keinen Dad?"
"Meine Eltern haben sich scheiden lassen." "War sicherlich sehr schwer...?"
"Für mich nicht... nur für Mina. Sie konnte noch nicht verstehen, was für
ein gemeiner Kerl mein Vater ist... " Hayate nickte. "Wenn ich auch mal
soviel von meinen Eltern hätte...!" "Ja, dein Dad sagte...!" Fujimaru
schluckte den Rest des Satzes herunter. /Ich darf ja gar nichts von dem
Gespräch sagen!/ "Was...?" Hayate sah ihn fragend an. "Ich wollte sagen...
äh... ich hörte, deine Eltern seien oft unterwegs...?" Hayate lächelte
bitter. "Sie sind IMMER unterwegs... von 365 Tagen im Jahr bin ich etwa 350
Tage allein... ich feiere allein Weihnachten, Geburtstag... man kann nicht
mal sagen, sie seien meine Eltern, ich kenne sie kaum...!" Plötzlich nahm
Hayates Gesicht einen verletzten Ausdruck an und er biß sich auf die Lippe.
Offensichtlich war es ihm unangenehm, Fujimaru so viel über sich zu
erzählen. Fujimaru wußte nicht, warum, aber der Blick schmerzte ihn selbst.
"Ist ein blödes Thema, hm?" fragte er vorsichtig. Hayate zuckte nur mit den
Schultern. "Was soll's... jedenfalls bist du wirklich zu beneiden, daß du
deine Mom jeden Tag sehen kannst... " Nur ungern erinnerte Hayate sich
daran, daß er letzte Nacht geweint und sich nach seiner Mutter gesehnt
hatte. "Dafür hast du wohl weniger Sorgen... " "Ich scheiße auf das Geld!"
zischte Hayate. "Ich will nichts mehr als ein normaler Junge sein und als
solcher angesehen werden... und ich will nichts mehr als das meine Eltern
für mich da sind und ich Freunde hab...!" Tränen glitzerten in Hayates
Augenwinkeln. Fujimarus Herz begann zu klopfen. /Was soll ich jetzt nur
machen?/ Er widerstand dem Drang, das zu tun, was am Natürlichsten war -
Hayate in den Arm nehmen... doch nicht lang. Hayates Körper begann zu
zittern, er schluchzte. "Kannst du mir sagen, wieso mich alle hassen und mir
aus dem Weg gehen?" kam gebrochen von dem braunhaarigen Jungen. "Hayate...!"
Fujimaru hatte plötzlich einen Kloß im Hals und er verstand sich selbst
kaum, als er die Arme ausstreckte und Hayate an sich zog. Er spürte
Widerwillen bei dem Jungen, doch Hayate riß sich nicht los und stieß ihn
nicht weg. Er klammerte einfach nur die Arme um den eigenen Körper, sein
Kopf ruhte auf Fujimarus Schulter.
Fujimaru legte einfach nur leicht die Arme um Hayate. /Was soll ich denn
tun? Ich kann ihn doch nicht trösten, ich weiß ja nicht wie!/ Trotzdem
glaubte er, Hayate helfen zu können, denn dessen Körper wurde ruhiger, das
Schluchzen erstarb ganz langsam.
Dann riß Hayate sich plötzlich los und stand auf. "Gomen nasai... ich... ich
gehe jetzt besser!" /Besser, ist es wirklich besser?/ Fujimaru glaubte es
nicht. "Hayate... " Verzweifelt suchte er nach Worten, er verstand nicht,
wieso Hayate plötzlich so aufgeregt war. "Ist schon gut... schönen Tag
noch... " Hayate wandte sich um und wollte weggehen.
Dann stolperte er über eine neben der Bank liegende Cola-Dose, versuchte
verzweifelt, sich an irgendwas zu klammern, um nicht zu stürzen - das
Naheliegendste war Fujimaru.
Fujimaru wurde plötzlich zu Boden gerissen, schloß die Augen und erwartete
einen schmerzhaften Aufprall.
Doch der blieb aus.
Fujimaru öffnete die Augen - und fand Hayates direkt vor seinen. /
Oh.Mein.Gott. Ich liege auf ihm drauf!/ Fujimaru starrte Hayate entsetzt und
dessen rotes Gesicht erstarrte. Beide starrten sich an, unschlüssig, was sie
tun sollten. Und dann mußte Fujimaru unwillkürlich lächeln. "Wie wäre es,
wenn du aufhörst, vor allem davonzulaufen, Hayate?"
b) by Miki-chan & Rei-chan ^^
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*Wie wäre es, wenn du aufhörst, vor allem davonzulaufen, Hayate?* Dieser
Satz hing noch immer in der Luft, als Hayate und Fujimaru sich schließlich
aufrappelten. "W-wie meinst du das?", fragte der braunhaarige Junge
unsicher. Fujimaru zuckte mit den Schultern.
"So genau weiß ich das auch nicht", antwortete er leise. "Aber wenn du
Probleme hast, darfst du sie nicht immer in dich hineinfressen! Jeder sollte
mal seine Gefühle zeigen!"
"Seine... Gefühle?" /Soll ich vielleicht allen sagen, was mit mir los ist
und dass ich ein Perverser bin?/ "Man würde meine Gefühle wahrscheinlich
nicht verstehen", antwortete Hayate bedrückt. Dann bildete sich eine Falte
auf seiner Stirn. Wollte Fujimaru ihn provozieren, dass er irgend etwas von
sich Preis gab? War das Hitoshis Idee? "Nein, ich kann nicht andere mit
meinen Problemen belasten. Außerdem brauche ich niemanden! Ich bin durchaus
in der Lage-"
"Werd doch mal vernünftig, Mann!", wurde er von Fujimaru unterbrochen. Der
dunkelhaarige Junge griff ihn fest an den Schultern und zwang Hayate damit,
ihm in die Augen zu sehen. "Wie soll jemand mit dir befreundet sein, wenn er
nie weiß, was in dir vorgeht?"
Statt einer schnippischen Antwort (die Fujimaru insgeheim erwartete) tat
Hayate etwas völlig anderes: Er lehnte sich vor und presste seine Lippen auf
Fujimarus. Der andere Junge riss geschockt die Augen auf, ließ Hayates
Schultern los und stieß ihn von sich weg. "W-was tust du da?", keuchte er.
"Bist du verrückt geworden?" Er wischte sich mit dem Handrücken über den
Mund, aber das Gefühl, das Hayates sanfter Kuss hinterlassen hatte, blieb.
/... Wieso SANFT?!/
"Du hast doch gesagt, ich soll meine Gefühle zeigen", murmelte Hayate und
trat instinktiv einen Schritt zurück, als hätte er Angst davor, dass
Fujimaru ihn schlagen könnte. Und plötzlich traten Tränen in seine Augen. "S
iehst du, das habe ich gemeint! Ich kann andere mit meinen Problemen nicht
belästigen. Ich habe keine Probleme... ich BIN das Problem!!" Mit diesen
Worten, die er schon fast geschrien hatte, drehte er sich um und lief aus
dem Park. Einige Passanten blickten ihm neugierig hinterher, andere starrten
verwirrt zu Fujimaru. Er beachtete sie nicht, sondern starrte immer noch in
die Richtung, in die Hayate verschwunden war.
"Na, hat das junge Glück Probleme?" Fujimaru fuhr erschrocken herum, als er
die vertraute Stimme hinter ihm vernahm. Hitoshi schaute ihn verächtlich an,
während er auf einem Grashalm kaute. "Weißt du, Fujimaru... bei Hayate habe
ich ja vermutet, dass er einer von diesen Schwuchteln ist - aber bei dir...?
Widerlich!" Er spuckte in den trockenen Sand, direkt vor die Füße seines
Freundes.
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[So, Rei-chan, noch zu kurz für Teil c - ab hier übernimmst also du, ne?
^^;;]
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"Hi... Hitoshi?" "Höchstpersönlich!" Hitoshis blaue Augen funkelten ihn
wütend an, während Fujimaru aufstand, auf die Stelle starrte, auf die
Hitoshi gespuckt hatte. Dann starrte er ihn wütend an. "Du HAST SIE WOHL
NICHT MEHR ALLE? Wie kommst du dazu zu denken, ich sei eine Schwuchtel?"
fauchte er seinen Freund an. "Meinst du vielleicht, ich sei blind?" gab
Hitoshi wütend und ein wenig verwirrt zurück. /Baka! Baka! Baka!/ Fujimaru
ballte die Fäuste. "Was kann ich dafür, wenn er MICH küßt?" Ohne es zu
wollen, wandte Fujimaru sich in die Richtung um, in die Hayate verschwunden
war. Einige Meter entfernt sah er ihn noch immer rennen. Er hatte nicht übel
Lust, ihm nachzulaufen und kräftig zu ohrfeigen. "Na los, renn deinem Süßen
schon nach!" zischte Hitoshi und wandte Fujimaru dann den Rücken zu.
Fujimaru packte Hitoshi an der Schulter, wirbelte ihn herum und schlug ihn
mit der Faust ins Gesicht.
Noch völlig überrascht taumelte Hitoshi rückwärts, dann faßte er sich an die
blutende Nase. "Zwei Dinge, Hitoshi...!" begann Fujimaru ruhig. "... erstens
bin ich echt enttäuscht von dir... und zweitens... wenn man wegen eines
Kusses schon eine Schwuchtel für dich ist... bist du wahrscheinlich eine der
Schlimmsten... denn vor zwei Wochen lief zwischen uns ja wohl etwas ganz
anderes, oder?" Hitoshi riß erschrocken die Augen auf. Fujimaru zitterte vor
Wut, blickte Hitoshi nicht einmal mehr an, sondern wandte sich um und rannte
Hayate nach.
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/Dieser elende Trottel, wieso küßt der mich ausgerechnet im PARK?/ Fujimarus
Lungen brannten. Eigentlich war er sehr ausdauernd, aber die Wut in ihm
schnürte ihm die Kehle zu. Hayate hatte er beinahe aufgeholt, er konnte
sehen, daß Hayate weinte und das hinderte diesen wohl daran, schnell zu
rennen.
Schließlich blieb Hayate überraschend stehen und lehnte sich an die Hauswand
neben sich. Sein Körper zitterte und Fujimaru hörte ihn bereits schluchzen.
Als er hinter ihm stand (was Hayate offensichtlich nicht bemerkte), ging
Hayate in die Knie, vergrub sein Gesicht in seinen Händen und weinte.
Fujimarus Wut verebbte nur sehr langsam und er widerstand dem Drang, Hayate
hoch zu zerren und zu schlagen. "Steh auf!" sagte er stattdessen.
Als Hayate nicht reagierte, wurde er abermals wütend. "STEH AUF, SAGTE ICH!"
Hayate zuckte zusammen, dann gehorchte er. "Was... willst du... denn noch?"
kam es heiser von ihm. "Jetzt ist es doch raus...!" Hayate wirbelte herum,
sein Gesicht war noch blasser als sonst. "Na los... sag es... sag, daß ich
pervers bin...! Sag doch, daß ich eine elende Schwuchtel bin, schlag mich,
wenn du das wi-!"
Fujimaru verpaßte Hayate eine schallende Ohrfeige und dieser prallte gegen
die harte Wand hinter sich. Es war raus. Fujimarus Wut verebbte nun völlig
und er blickte Hayate fassungslos an. /Hab ich ihn wirklich geschlagen?/
Hayate griff sich an die schmerzende Wange, seine Schulter tat weh. /Oh
großer Gott...!/ "... Hayate...!" Der braunhaarige Junge blickte auf. In
seinem Gesicht war nichts zu lesen.
Fujimarus Hand brannte. "Es... es tut mir leid... oh großer Gott... ich
wollte nicht...!" Hayate schüttelte den Kopf. "Vergiß es... auf deine
Entschuldigung kann ich pfeifen... laß mich einfach in Ruhe...!" Langsam
taumelte Hayate vorwärts.
"Ja, genau das ist es... alle sollen dich in Ruhe lassen und DU wunderst
dich, daß sich keiner mit dir abgeben mag...!"
"Mag sein... aber DU wirst dich jetzt am Allerwenigsten mit mir abgeben!"
gab Hayate zurück.
Fujimaru packte Hayate am Handgelenk. "Hör mir zu... gut, mag sein, daß ich
damit nicht gerechnet habe... aber ich will fair sein." Er zog Hayate herum,
bis sie sich in die Augen sahen. Fujimaru wollte lächeln, schaffte es aber
nicht. "Dir ist klar, daß... so was nicht zwischen uns gehen kann...!"
Hayate nickte. "... gut... dann vergessen wir es einfach... das im Park ist
nicht passiert, okay?" Hayates Augen gewannen ein wenig Schimmer zurück.
"Du... gibst mir noch eine Chance?" "Gib dir lieber selbst eine... aber du
küßt mich nie wieder, klar?" Hayate nickte stumm. Fujimarus harter Griff
ließ nach und sie sahen sich wortlos an.
Fujimaru kam sich beinahe verloren in Hayates braunen Augen vor. /Vielleicht
ist er gar nicht so unsympathisch, wie ich dachte...!/ Aber warum hatte er
all das eben zu Hayate gesagt? Es konnte ihm doch egal sein, wie schlecht es
dem Jungen ging, schließlich ging es hier nur darum, daß Fujimaru Geld
verdiente, Hayate konnte ihm doch gleichgültig sein...
/Du bist mir aber nicht gleichgültig!/ Für Fujimaru war es ein erstaunliches
Eingeständnis innerhalb eines Tages. Er wußte nicht warum, aber er fühlte
sich ein wenig mit Hayate verbunden, auf einer Ebene, die ihm selbst noch
unbekannt war.
Vielleicht hatte Fujimaru auch einfach nur ein zu gutes Herz?
"Komm, gehen wir zurück...!" Ohne es wirklich zu bemerken, legte Fujimaru
seinen Arm um Hayates Schultern. /Zurück zu Hitoshi, wirklich sehr schlau!/
Fujimarus Miene wurde traurig. /Ausgerechnet mein bester Freund geht so mit
mir um...!/ Ob er wohl noch da war? /Nein, wahrscheinlich nicht...!/
Hayate ließ sich erst widerwillig mitziehen, dann kam er von allein. Er
schien das Gefühl des freundschaftlich um ihn gelegten Arms zu genießen und
als Fujimaru sich dieser Geste, die er sonst nur Hitoshi zukommen ließ,
bewußt wurde, wollte er den Arm wegziehen, ließ es aber.
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Sie sanken wieder auf die Bank zurück. Einige der Umstehenden lächelten
Fujimaru zu. /Was die wohl denken?/ Er hätte beinahe gelacht, wenn ihm der
Gedanke nicht so sehr zu schaffen gemacht hätte. Seine Lippen kribbelten
noch immer von dem Kuß, den weichen Lippen Hayates.
"Tut mir leid... mir tut alles so leid...!" murmelte Hayate leise. "Vergiß
es, sagte ich...!" Hayate lächelte. Dann lehnte er seinen Kopf an Fujimarus
Schulter. Diese Berührung schickte heiße Wellen durch Fujimarus Körper.
Sie saßen eine Weile schweigend da. Fujimaru blickte nach oben und bemerkte,
daß Regenwolken aufzogen. "Hayate, es wird bald regnen, laß uns irgendwo
anders hingehen...!"
Als Fujimaru zu Hayate herabblickte, sah er, daß dieser eingeschlafen war.
Und daß er unglaublich süß aussah, wenn er schlief.
c) by Miki-chan
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***** "Mama?" Eine helle Kinderstimme durchschnitt die klare Luft des
eiskalten Morgens. "Mama, komm und schau dir das an!" Ein kleiner Junge mit
aufgeweckten braunen Augen winkte aufgeregt einer jungen Frau zu, die in
einen dunklen Pelzmantel gekleidet auf einer Parkbank saß und in einer
ausländischen Zeitung las. "Mama, die Blume hier... sie ist so wunderschön!"
Der Junge kniete begeistert vor einer zartvioletten Pflanze - eine der
ersten überhaupt in diesem Frühling. Sie duftete nicht, aber was machte das
schon? Sie verlieh dem Park einen Hauch von LEBEN! Der Junge fuhr zärtlich
mit den Fingern über eines der fünf Blütenblätter. Nein, er konnte die
Pflanze nicht ausreißen, um sie seiner Mutter zu zeigen. Sie musste
herkommen. Wo blieb sie denn nur?
Als der Junge ungeduldig aufschaute, erblickte er seine Mutter, die sich
gerade erhoben hatte und sich auf den Ausgang zu bewegte. Enttäuscht rief er
ihr hinterher: "Mama, die Blume... schau sie dir doch wenigstens an!"
"Komm sofort her, Hayate", antwortete sie und ignorierte seine Bitte völlig.
"Du bist doch schon ein großer Junge, wird endlich mal erwachsen! Das ist
bloß eine alberne Pflanze, nichts als Unkraut, völlig wertlos." Sie zertrat
eine andere Pflanze zu ihren Füßen, als ob sie damit ihren Worten Nachdruck
verleihen wollte. "Jetzt komm endlich, Junge!", rief sie gereizt und setzte
ihren Weg fort, nicht ohne noch ein paar abfällige Bemerkungen über das
wertlose Grün im Park machte. Sie hatte sich hier eh nur aufgehalten, um
einen Termin mit jemandem einzuhalten. Inzwischen war es schon zwei Minuten
nach der verabredeten Uhrzeit und sie hatte nicht vor, noch länger zu
warten. "Komm jetzt, Hayate!!"
Der braunhaarige Junge betrachtete noch einmal seufzend die kleine Pflanze
im mageren Grün der Wiese, bevor er sich schnell in Bewegung setzte, um
seine Mutter nicht noch mehr zu verärgern. Aber er übersah die fünf
Zentimeter hohe Steinkante, die den Rasen vom Weg abgrenzte. Mit einem
erschrockenen Aufschrei fiel er auf den harten Boden und schürfte sich Knie,
Hände und Ellenbogen auf. Ein paar leisen Schluchzern folgten heiße Tränen,
die auf den stellenweise noch gefrorenen Boden fielen. Hayate rappelte sich
auf, die blutenden Schürfwunden brannten wie Feuer. Aber seine Mutter
beachtete sein Weinen überhaupt nicht, sondern lief mit großen Schritten
weiter. "KOMM ENDLICH!!", rief sie ärgerlich. Hayate folgte ihr schluchzend,
versuchte mühsam, die Zähne zusammenzubeißen und den Schmerz zu ignorieren.
"Hör auf zu heulen", zischte seine Mutter, als er bei ihr angelangt war.
"Was sollen die Leute von mir denken? Dass ich eine Heulsuse als Sohn habe?
Du bist schließlich kein Mädchen und auch kein kleines Kind mehr. Lerne
endlich, dich erwachsener zu benehmen!" *****
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Soeben hatte es angefangen zu regnen. Fujimaru wollte Hayate gerade wecken,
als er zusammenzuckte. Zu den kühlen Regentropfen auf seiner Schulter
gesellten sich plötzlich andere... heiße! Er blickte erschrocken zu Hayate
und schluckte. Sein Klassenkamerad weinte! Ja, er weinte ganz eindeutig,
auch wenn nicht der geringste Laut über seine Lippen kam. Fujimaru
unterdrückte den plötzlich aufkommenden Impuls, Hayate über die Wange zu
streichen und rüttelte ihn stattdessen sanft wach. Hayate blickte ihn
verstört an. "Was... wo...?" /Wieso ist mein Gesicht nass?/ Er hörte das
Rauschen des Regens, aber die Flüssigkeit auf seinen Lippen schmeckte
eindeutig salzig. /Habe ich etwa.../ Er dachte den Satz nicht zu Ende,
sondern tastete mit seinen Fingern über sein Gesicht. Ja, er hätte
tatsächlich geweint! "D-der Regen", murmelte er in Fujimarus Richtung. Er
hatte das Gefühl, sich unbedingt entschuldigen zu müssen. "Wieso hast du
mich denn nicht geweckt? Du bist ja ganz nass. Komm, lass uns schnell
gehen!" Hayate versuchte zu lächeln, es wurde nur eine schiefe Grimasse.
Fujimaru antwortete nichts, sondern folgte ihm nur schnell durch den Regen.
Als sie fast am Eingangstor waren, fiel Hayates Blick beim Laufen auf das
Überbleibsel einer kleinen, violetten Blume, die verblüht am Wegesrand
stand. Er blieb unwillkürlich stehen und in seinen Augen sammelten sich
schon wieder Tränen! /Was ist nur heute los mit mir?/ Hayate fühlte irgendwo
tief in ihm drinnen einen uralten Schmerz aufsteigen, der schon fast zehn
Jahre zurücklag. Wieso erinnerte er sich ausgerechnet heute an diesen
Unsinn?
"Hayate?" Fujimaru berührte den Angesprochenen nach einem kurzen Zögern
unsicher am Arm und holte ihn in die Realität zurück. "Ist... ist alles in
Ordnung mit dir?" Er schaute Hayate unsicher an; dieser nickte. "Ja, komm
schnell!" Sie rannten das letzte Stück bis zu Hayates Haus.
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"Hier, du kannst das anziehen, das dürfte dir wohl passen." Hayate legte für
Fujimaru einen weinroten Pullover aufs Bett, der seinem Vater gehörte. Seine
eigenen Sachen waren Fujimaru eine Nummer zu klein, dieser hier dafür drei
Nummern zu groß. Der dunkelhaarige Junge zog ihn trotzdem über und zeigte
den Ansatz eines Lächeln. Das noch leicht nach teurem Aftershave riechende
Kleidungsstück reichte ihm fast bis zu den Knien, die Ärmel hingen weit über
seinen Händen und er krempelte sie mehrmals um. "Passt doch wie angegossen",
sagte er leise und realisierte im selben Augenblick, dass es ihm unheimlich
schwer fiel, seinen Blick von Hayates nacktem Oberkörper loszureißen. Er
atmete beinahe erleichtert auf, als dieser endlich seinen Hausanzug
zuknöpfte.
"Spinner", antwortete Hayate und zeigte zum ersten Mal an diesem Tag ein
kleines Grinsen. Aber gleich darauf wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst
und verschlossen. "Deine Sachen sind leider völlig durchnässt, tut mir Leid.
Vielleicht hättest du lieber nicht herkommen sollen." Bevor Fujimaru etwas
darauf erwidern konnte, meinte Hayate: "Ich werde sie sofort in den Trockner
werfen, dann sind sie in einer Stunde wieder in Ordnung." Er ließ seinen
Klassenkameraden im Zimmer stehen, um in den Waschkeller zu gehen.
Fujimaru folgte Hayate ein paar Schritte und blieb dann unschlüssig stehen.
Sollte er hier warten? Er beschloss, es einfach zu tun und ließ seinen Blick
in Hayates Zimmer umherschweifen. Es war groß, fast schon größer als ihre
gesamte Wohnung! An den Wänden hingen ein paar Poster, die blühende
Landschaften oder schneebedeckte Gletscher zeigten. Menschen oder wenigstens
Tiere waren auf keinem zu sehen - nicht einmal Vögel. So schön die Bilder
auch sein mochten, sie wirkten irgendwie einsam und verlassen... fast wie...
tot! Fujimaru lief bei diesem Vergleich ein Schauer über den Rücken. Er ging
schnell zu Hayates Schreibtisch und studierte neugierig die Sachen, die
darauf lagen. Dort lagen verschiedene Stapel mit Notizen über irgendwelche
Formeln, von denen er keine Ahnung hatte. Einer der Stapel wurde mit einem
Buch beschwert, auf dessen Titel 'Aerotriangulation' stand. Fujimaru hatte
dieses Wort noch nie in seinem Leben gehört! Die meistens anderen Dinge
waren uninteressant; eben so alles, was man auf einem Schreibtisch so
vorfand - wenn es auch nicht Fujimarus Vorstellungen von den Utensilien
eines JUGENDLICHEN entsprach! Dann wurde sein Interesse von einem geöffneten
Schuhkarton beansprucht, in dem mehrere Briefe lagen. Der oberste trug das
Datums des gestrigen Poststempels. Soweit Fujimaru es erkennen konnte,
hatten alle Briefumschläge den gleichen Absender. Er widerstand der
Versuchung, einen der Briefe herauszunehmen und näher zu betrachten,
vielleicht sogar zu lesen. Er würde damit sofort Hayates Vertrauen brechen,
das dieser anscheinend langsam zu ihm aufbaute. Er ließ ihn sogar allein in
seinem Zimmer zurück und- /Was ist eigentlich los mit mir?/, dachte Fujimaru
plötzlich mit einer Mischung aus Verwirrung und Wut auf sich selbst. /Wieso
mache ich mir Gedanken über seine Gefühle?/
Er kam nicht weiter, denn Hayate betrat wieder das Zimmer. "Was wollen wir
jetzt machen, hmm? Ins Kino gehen?"
"Kino? Aber der Regen..." Fujimaru schaute ihn zweifelnd an.
"Nein, wir haben unten... ein... ein Privatkino... von meinem Vater",
stammelte Hayate. Ihm war es plötzlich peinlich, so reich zu sein. /Herrgott
noch mal, er kommt aus der Gosse und ich protze hier mit meinem eigenen
Kino! Für wie überheblich muss er mich eigentlich halten?/ Hayate fröstelte
plötzlich. /Ob ich mich wohl noch unbeliebter bei ihm machen kann?/
Jedoch: "Privatkino? Wow..." Fujimarus Augen glänzten. "D-darf ich es
sehen... bitte?"
Hayate blickte ihn ungläubig an. /Er findet es TOLL?/ "Na schön, dann komm
mit." Er zuckte mit den Schultern und winkte Fujimaru, ihm zu folgen.
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Fujimaru war aus dem Staunen überhaupt nicht mehr herausgekommen. Das Kino
war nicht sehr groß, vielleicht so groß wie Hayates Zimmer, bloß viel höher.
Die Leinwand erschien Fujimaru riesig, schon allein die Auswahlliste der
NEUSTEN Filme überstieg sein Fassungsvermögen. /Was das wohl gekostet hat?/
Er wählte einen Film aus und war bis zum Ende mit Begeisterung dabei. Er war
ewig nicht mehr in einem Kino gewesen, sie hatten es sich einfach nicht
leisten können.
Als der Film zu Ende war und sich der Projektor automatisch abschaltete,
blieben beide Jungen in ihren dunkelgrünen Samtsesseln sitzen. Keiner wagte
es, die Stille zu unterbrechen, die sich über den Raum gelegt hatte.
Schließlich ergriff Fujimaru aber doch das Wort: "Sag mal, Hayate... vorhin,
im Park..." Er drehte sich zu seinem Klassenkamerad - konnte er ihn schon
als 'Freund' bezeichnen? - um und versuchte vergeblich, seinen
Gesichtsausdruck im diffusen Licht zu erkennen. "Warum hast du dort... ich
meine.." Er schluckte. /Wieso will ich ihm diese blöde Frage stellen? Es
muss ihm doch peinlich sein!/ "Wieso hast du vorhin geweint, als du
geschlafen hast? Und auch... am Ausgang", platzte es doch aus ihm heraus.
Hayate zuckte zusammen. /Er hat es also doch mitbekommen!/ "Ich... ich..."
/Er wird mich für völlig bescheuert halten, wenn ich es ihm sage./ "Ich..."
/Wegen einer Blume und einer dämlichen, uralten Erinnerung!/, dachte Hayate
verächtlich. /Total beknackt!!/ "Ich möchte nicht darüber reden", antwortete
er schließlich leise. Fujimaru würde es eh nicht verstehen. /Ich versteh's
ja nicht einmal selbst!/
"Gut, ich wollte dich nicht drängen", sagte der dunkelhaarige Junge ebenso
leise. "Tut mir Leid, ich wollte nicht-" Er stoppte, als Hayate aus einem
plötzlichen Impuls heraus seine rechte Hand ergriff.
"Sag, Fujimaru, findest du Blumen wertlos?" Hayate schaute ihn mit fast
flehendem Blick an, als würde ihn eine falsche Antwort zum Weinen bringen.
"I-ich... n-nein, eigentlich nicht", stotterte Fujimaru verwirrt. War es
wegen der Poster in Hayates Zimmer, dass er ihm diese eigenartige Frage
stellte? Wie auch immer, er mochte Blumen und fand sie ganz und gar nicht
wertlos! "Nein, eher im Gegenteil", antwortete er nun mit fester Stimme.
"Ich liebe Blumen! Sie sind unheimlich wertvoll... sie bedeuten, dass es
noch Leben auf dieser zerstörten Erde gibt!!"
"Danke", flüsterte Hayate erleichtert und drückte kurz Fujimarus Hand, bevor
er sie losließ. Dieser blickte ihn erstaunt an. Der Junge neben ihm... er...
er lächelte! Ja, tatsächlich!! Auf Hayates Lippen lag ein LÄCHELN! Und das
Sonderbarste war: Es machte Fujimaru in diesem Augenblick unsagbar
glücklich...